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Editorial

Please meet: Jani Leinonen

Er gehört zu den gefragtesten Künstlern der Welt, stellt in national und international renommierten Galerien aus und kreiert Werke, die visuell und thematisch den Nerv der Zeit treffen. Jetzt hat der Finne Jani Leinonen ein für das Dolder Grand ganz besonderes Projekt realisiert: Er kreierte das jährliche Osterei, das vom 13. April für ca. 1 Woche in der Steinhalle zu sehen ist – mit über 12’000 Nelken bestückt und mit der unvergleichlichen Handschrift des Künstlers, die seine Interpretation von Ostern zeigt. Ergänzt wird das Ei durch die Installation «Seeds in Their Pockets» mit sieben getrockneten Blumen, die Leinonen in Kriegsgebieten auf der ganzen Welt gesammelt hat, die eine für ihn besonders wichtige Botschaft für den Betrachter bereithält.

By The Dolder Grand April. 06, 2022
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Das Dolder Grand und Jani Leinonen verbindet eine langjährige Beziehung – seit 2009 werden seine Werke im Haus ausgestellt, derzeit sind sechs zu sehen. Dass der 43-Jährige das diesjährige Osterei gestaltet, ist ein erneuter Coup. Vor allem auch deshalb, weil Leinonen durch seinen unverwechselbaren Stil und sein Geschick, aktuelle Gesellschaftsthemen provokant aufzugreifen, zu Weltruhm gelangt ist. Diese Kombination wird bei diesem Projekt erneut sichtbar. Das Thema der Arbeit für Ostern ist hochaktuell und fordert den Betrachter auf, nachzudenken und über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. «Für mich ist die Ostergeschichte eine der interessantesten Geschichten», sagt Leinonen. «Es ist eine harte Geschichte über eine schlimme Kette von Ereignissen, die zur Hinrichtung von Jesus führen.» Das wichtigste Thema seien dabei die letzten Worte Jesu am Kreuz: «Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.» – «Diese Aussage ist sehr aktuell, denn Jesus sagt diese Worte zu den unwissenden Soldaten, die den Befehlen ihrer Vorgesetzten folgen», so Leinonen. Folglich ist die Botschaft des Künstlers auf dem Ei in einem einzigen Wort zusammengefasst: Forgive.

Farbenwelt des Blumeneis

Kriegs- oder Friedensblumen

Neben dem Ei wird eine Installation mit dem Namen «Seeds in Their Pockets» gezeigt. Zu sehen sind hier getrocknete Blumen aus Kriegsgebieten. Es gibt eine rote Rose aus dem Irak, eine Sonnenblume aus der Ukraine, eine Jasminblüte aus Syrien und eine gelbe Lilie aus Bosnien. Am ersten Tag des ukrainischen Kriegs las Leinonen einen Zeitungsbericht und verfasste ein Gedicht «Seeds in their pockets they went to war and became flowers» «Sie zogen in den Krieg und wurden zu Blumen». Die Geschichte handelte von einer Frau aus der Ukraine, die einem russischen Soldaten begegnete und ihm sagte, er solle Sonnenblumenkerne in seine Taschen stecken, damit dort, wo er sterben würde, Blumen wachsen. «Für mich ist das ein sehr starkes Bild des Kriegs. Ich fand heraus, dass auf vielen Schlachtfeldern dieser kriegsgebeutelten Länder Blumen wuchsen, insbesondere die nationalen Blumen dieser Länder.». Der Finne machte sich auf die Suche nach diesen Blumen. «Ich wollte das wirklich zu einem universellen Ausdruck gegen den Krieg machen», sagt er. Er wolle die Bedeutung der Blumen und ihrer Samen, wenn die Menschen sie betrachten, von etwas trivial Schönem auf die Verflechtung von Gut und Böse lenken. «Man zeigt uns viele schöne Dinge, um die schrecklichen zu verbergen. Auf diese Weise vergessen wir, für das Gute zu kämpfen.»

Kriegs- oder Friedensblumen

Künstler und Provokateur

Jani Leinonen ist bekannt für seine provokanten und zugleich spielerischen Werke, in denen Kapitalismus und unsere «egozentrische Konsumgesellschaft», wie er sie gerne nennt, im Mittelpunkt stehen. Immer wieder greift er aktuelle Themen auf und präsentiert sie so, dass sie der Gesellschaft den Spiegel vorhalten. «Ich verwende oft fertige Dinge und nehme Objekte aus der realen Welt. Das können Müslischachteln oder Bettelschilder sein. Aus diesen Überresten mache ich Kunst.» Die Inspiration dafür holt er sich von der Populärkultur, den Marken grosser Unternehmen sowie den Marketingstrategien, durch die Leinonen seine Objekte zu Gegenständen der Lächerlichkeit macht, die unseren Alltag oft klischeehaft darstellen. Zu seinen jüngsten Projekten gehören die Veröffentlichung einer Reihe von werbeähnlichen Videos der Kellogg’s-Figur «Tony the Tiger», die sich in einer erwachsenen Welt von Prostitution, Polizeigewalt und Selbstmordattentätern bewegt. Auch die Eröffnung eines gefälschten Fast-Food-Restaurants namens Hunger King in Budapest war ein vielbeachtetes Projekt.

2021 hielt Leinonen eine dreitägige NFT-Auktion seines animierten Kunstwerks mit dem Titel «Things You Own» ab, auch wenn er deren Zukunft grundsätzlich kritisch sieht: «Ich glaube nicht, dass NFTs, die ja eigentlich JPGs und GIFs sind, dem bestehenden Kunstmarkt viel hinzufügen. Und ich finde es fragwürdig, wie marktgesteuert NFTs sind. Sie halten nicht, was die Demokratisierung und Dezentralisierung der Kunst verspricht.» Dennoch seien sie ein Thema, das, ebenso wie das Metaversum, immer stärker in den Vordergrund und damit in den Alltag rückt. Wie nachhaltig das gerade in der Kunst sein wird, ist jedoch die andere Frage.


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