Im Interview mit Yusuke Sasaki
Yusuke, was erwartet die Gäste, wenn sie zu dir ins Mikuriya kommen?
Ein abendfüllendes Ereignis, bei dem ein bestimmtes Wort im Mittelpunkt steht: Omakase. Es bedeutet so viel wie «Vertrauen» und wird im übertragenen Sinn mit «Ich überlasse es Ihnen» übersetzt. Das heisst: Die Gäste können vorgängig Allergien und Unverträglichkeiten angeben, doch ansonsten überlassen sie es mir, was in den 18 Gängen serviert wird. Diese Form des Essens wird in der japanischen Kultur stark verehrt. Omakase ist intim, lehrreich und weckt die Neugierde.

Kochst du vor den Gästen?
Ich bereite die Speisen während des Tages vor, den letzten Feinschliff erhalten sie am Tresen, direkt vor den Augen der Gäste. In der japanischen Küche sprechen wir von Kappo, das steht für «vor dem Koch an der Bar». Parallel dazu erkläre ich, welche Zutaten und Ideen den Gerichten zugrunde liegen. Der Dialog zwischen Gästen und Koch spielt im Mikuriya eine wichtige Rolle.
Statt 50 oder 100 Gästen sind es jetzt nur jeweils acht, ausser dir ist nur noch ein Kellner vor Ort. Was unterscheidet diese Art des Kochens von der Arbeit in einer Grossküche?
Bei meinem vorherigen Arbeitgeber waren wir sechs Köche, die für bis zu 150 Gäste gekocht haben. Dort konnte ich unmöglich jeden Teller selbst vorbereiten, probieren und auf die Optik prüfen. Im Mikuriya geht jede einzelne Zutat durch meine Hände, jeder einzelne Teller wird von mir präpariert. Das ist für mich als Koch ein grosser Unterschied.
Apropos Optik: Die Gerichte, die du servierst, sehen aus wie Kunstwerke.
In der japanischen Küche wollen wir alle fünf Sinne ansprechen. Dazu zählt auch die Optik der Gerichte, denn auch sie hat einen Einfluss auf den Geschmack. Selbst wenn die besten Zutaten richtig zubereitet werden – falls ein Gericht nicht schön angerichtet ist, schmeckt es nicht gut.

Im Mikuriya kochst du saisonal – was bedeutet das bezogen auf die japanische Küche?
Einerseits, dass wir Produkte nutzen, die in der jeweiligen Jahreszeit wachsen. Doch bei uns ist Essen immer auch eine Medizin, und das kommt auch bei der Saisonalität zum Ausdruck. Im Winter geht es darum, das Immunsystem zu stärken, zum Beispiel mit Ingwer, der den Körper von innen wärmt.
Auch die Wahl der Getränke überlassen die Gäste dir. Worauf achtest du dabei?
Gerade für leichte Speisen wie Sushi ist Sake der perfekte Begleiter, da er den Geschmack der Zutaten verstärkt. Wir verfügen über eine grosse Auswahl verschiedener Sake: gealtert, ungefiltert, mit viel oder wenig Kohlensäure – was immer am besten passt. Wir servieren auch Schnaps von Süsskartoffeln oder Buchweizen und verschiedene Biersorten. Die Pairings machen unsere Chef-Sommelière Lisa Bader, Chefkoch Heiko Nieder und ich gemeinsam.
Du bist seit 2008 in Europa tätig. Wie informierst du dich über die japanische Küche?
Einerseits über meinen Cousin, der bei einem bekannten Sushi-Anbieter und Fischmarkt arbeitet. Anderseits tausche ich mich regelmässig mit Freunden aus, die in Japan als Köche arbeiten. Aber mir persönlich ist es auch sehr wichtig, dass ich in Europa herumkomme und die verschiedenen Küchen ausprobieren kann.
Bevor du in die Schweiz gekommen bist, hast du in Deutschland gearbeitet. Hast du Unterschiede festgestellt?
In München und Düsseldorf gibt es grosse Frischmärkte mit einem hervorragenden Seafood-Angebot. In der Schweiz gibt es diese Märkte nicht, zudem ist es aufgrund der Verzollung schwierig, Seafood aus Japan zu importieren. Wir beziehen unsere Produkte daher vor allem aus Frankreich, Italien, Neuseeland und Kanada. Da ich zu vielen Importeuren eine gute Beziehung habe, werde ich oft informiert, wenn sie gute Produkte erhalten. Aber alles in allem ist es in der Schweiz schwieriger als in Deutschland, hochwertiges Sushi zu produzieren. Das macht es für mich spannend.
Gibt es Unterschiede bezüglich der japanischen Küche in den beiden Ländern?
In Deutschland gibt es eine lange Sushi-Tradition und Restaurants, die bereits seit Jahrzehnten Sushi der Extraklasse servieren. In der Schweiz ist die Ausgangslage schwieriger und die Geschichte kürzer, darum gibt es nur eine Handvoll wirklich gute Restaurants. Und Fine-Dining-Sushi, wie wir es anbieten, hat noch gar keine Tradition. Genau das wollen wir mit dem Mikuriya ändern.
Die Art, wie du im Mikuriya kochst, ist sehr aufwendig. Was kommt zu Hause auf den Tisch?
Zu Hause kocht häufig meine Frau, auch sie ist Köchin. Und ich mag es gerne einfach: gekochter Reis, Sojasauce, fermentiertes Miso für eine Suppe, als Beilage saisonales Gemüse.